Verschwitzt und nach Luft keuchend kommt das Paar aus Court 3. Trikots, Hosen und Stirnbänder sind schweißgetränkt. Es ist 16.45 Uhr - die Mietzeit von einer Dreiviertelstunde ist um.
„Mit deinen Aufschlägen hast du mich ganz schön fertig gemacht", bemerkt der eine sichtlich verärgert. „Gelernt ist gelernt", erwidert der Partner grinsend. Die beiden haben soeben ein Match in einer Sportart beendet, die seit einigen Jahren einen enormen Boom in der Bundesrepublik (und nicht nur da) erlebt: Squash, das schnelle Schlägerspiel mit dem kleinen Gummiball.
Die Zahlen sprechen für sich: Bis jetzt gibt es in der Bundesrepublik 400 Squash-Anlagen, die insgesamt über rund 4300 Courts verfügen. 21.000 Mitglieder sind in zahlreichen Clubs organisiert, und immerhin vermutlich 700 000 Freizeitsportler jagen sich nach Feierabend gegenseitig durch den kleinen hellen Raum im Kampf um Punkte.
Auch für Frauen ist Squash eine beliebte Sportart, da Kraft zweitrangig ist.
Was macht die Faszination dieser Sportart aus, die nur in einer gemieteten Halle, dem Court, ausgeübt werden kann? Ist es die Schnelligkeit des Spiels (Könner donnern den Ball mit immerhin rund 150 km/h gegen die Wand), die immer mehr Leute animiert, den Schläger zu schwingen? Sind es die einfachen Regeln, die schnell zu begreifen sind? Oder vielmehr die leichte Erlernbarkeit des Spiels? Strömen Hobby-Aktivisten in Massen in die Squash-Center, um das in der Regel vorhandene Fitness-Zusatzangebot, wie etwa Sauna, Solarium oder Schwimmbad zu nutzen? Spielt vielleicht sogar der Reiz eine Rolle, sich in möglichst kurzer Zeit völlig verausgaben zu können, denn Squash ist bei Fortgeschrittenen oft eine „Knochenarbeit"?
Fragen, die selbst Insider nicht zu beantworten wissen. Eines jedoch scheint gewiss: Ohne Zweifel ist der Höhenflug dieses Spiels, das im Einzel oder Doppel ausgetragen werden kann, mehr als eine Bewegungs-Modeerscheinung à la Jogging, Aerobic oder Bodybuilding. Dessen ist sich auch der Besitzer des jüngsten Squash-Centers in Münster sicher „Die Leute kommen meiner Meinung nach in erster Linie, da die Kommunikation und das Zusammensein auf engstem Raum im Squash-Center gegeben ist wie bei keiner anderen Sportart.“ Zunächst spielen die Partner in einem nur 9,75 mal 6,40 Meter großen Court zusammen. Anschließend bietet ein Platz an der Center-eigenen Theke außer zur ersten Erfrischung ausreichend Gelegenheit zum Gespräch oder ein gemütlicher Saunagang Ruhe und Möglichkeiten zum Kennenlernen anderer Squash-Begeisterter. Geselligkeit wird also groß geschrieben.
Auf der anderen Seite ist sicherlich auch die schnelle Erlernbarkeit von Bedeutung. Schon nach wenigen Spielstunden verspürt der Anfänger die ersten Erfolgserlebnisse. Ein mehr oder minder flüssiges Match ist bereits möglich, und das matte Gefühl danach, das sich unweigerlich im ganzen Körper breit macht, kommt dann nicht mehr vom permanenten Ballaufheben nach einer missglückten Annahme.
Auch die simplen Spielregeln tun ein Übriges: Im Grunde genommen kommt es lediglich darauf an, den vom Partner
gespielten Ball, der in einem nach allen Seiten hin geschlossenen Raum zunächst an die Vorderwand geschlagen wird, nach unbegrenzt vielen Berührungen der vier Wände (das Dach scheidet als Spielwand aus) mit dem eigenen Schläger an die Vorderwand zurückzubefördern. So einfach ist das - dennoch in Vollendung eine Kunst, die nur wenige perfekt beherrschen.
Besonders bei Anfängern ist jedoch ein Risiko hoch, das oft außer Acht gelassen wird: Verletzungen, die aus mangelnder Spielpraxis resultieren, besonders dem ungewohnten Umgang mit dem Schläger, sind bei den ersten Squash-Versuchen nicht selten. Hans- Martin Kretzer vom Sportmedizinischen Institut der Universität Münster:
„Es kommt immer wieder vor, dass gerade Neulinge sich Kopfverletzungen zuziehen." Zwei Unfallarten seien typisch, erklärt der Sportmediziner. Zum einen prallen Anfänger wegen der ungewohnten Ausmaße des Courts bei Sprints nach dem Ball oft gegen die Wände. Außerdem seien Augenverletzungen durch den mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft rasenden Ball nicht selten.
„Dennoch ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung bestimmter Faktoren Squash eine gesunde Sportart ist", erklärt Kretzer. Er empfiehlt jedoch dringend, dass Spieler - egal ob Anfänger oder Halbprofis - sich vor einem Match genügend Zeit zum Warmspielen nehmen sollten, um orthopädischen Verletzungen vor allem Muskel- und Bänderrissen im Bereich der Beine vorzubeugen. Auch das anschließende Schwitzen in der Sauna heißt der Mediziner nicht uneingeschränkt gut: „Saunieren ist immer eine Frage der Dosierung. Besonders jedoch, wenn der Körper vorher bereits im Court ausgelaugt worden ist." Ferner sei auch das Schuhwerk wichtig, da beim Squash öfter als in den meisten anderen Sportarten, kurzzeitige Sprints abrupt abgestoppt weiden müssen.
Außer einem brauchbaren Paar Sportschuhe ist Squash allerdings alles andere als kostenintensiv. Bereits mit einer Sporthose und einem T-Shirt im Gepäck kann getrost der Einstieg in diese Sportart gewagt werden. Schläger und Ball sind in fast jedem Squash- Center für ein paar Mark zu leihen. Aber auch Begeisterte, die von Anfang an eine komplette Ausrüstung ihr Eigen nennen möchten, brauchen nicht tief in die Tasche zu greifen: Bereits ab 35 Mark lässt sich ein Schläger nebst Ball erstehen - eine Ausrüstung, die zum Erlernen völlig ausreichend ist. Gestandene Squasher geben sich damit freilich nicht zufrieden: Eine Top-Ausrüstung kann leicht 500 Mark und mehr kosten.
Ist Squash also ein Sport für jedermann, eine Bewegungs-Therapie, die sich auch auf Dauer etablieren wird? Die wachsende Zahl der Aktiven scheint diese Frage uneingeschränkt zu bejahen. Also dann: Den Ball mit Volldampf gegen die Wand gedonnert, solange es Spaß macht. Ein lukratives Zusatzangebot für Bewegungs-Abstinenzler bietet der Squash-Boom allemal - und auch das ist ohne Frage ein Erfolg.
Bericht der Westfälischen Nachrichten - Von Jörg Biallas
Dynamik und Konzentration sind Trumpf beim Squash, besonders bei gefühlvoll geschlagenen Bällen des Gegners.