Münster - Wer bei Speckbrett an eine zünftige Brotzeit denkt, liegt grundsätzlich so falsch nicht – es sei denn, er wohnt in Münster. Hier in der beschaulichen Domstadt dient das Speckbrett ganz entgegen seiner ursprünglichen Berufung in erster Linie dem Kalorienabbau. Seit rund 80 Jahren führt dieser einzigartige Sport in Münster ein munteres Nischendasein – und ist im Jahr 2013 so lebendig wie einst im Mai. Die Speckbrett-Familie wächst und gedeiht. Nichts wie ran an den Speck!
Einzigartiges Spiel mit Anziehungskraft
Von Ansgar Griebel
Im Spätsommer treffen sich Münsters beste Brettspieler, um ihre Meister zu ermitteln – die Weltmeister versteht sich. Vor einigen Jahren spielte auch noch eine Abordnung aus der Hauptstadt eine tragende Rolle bei der Titelvergabe, mittlerweile hat der VfK Berlin seine Ambitionen abgespeckt – Münster hat die alleinige Weltherrschaft am Speckbrett zurückerobert. Im September standen unter anderem Zweitliga-Tennisspielerin Tina Kötter, die ehemalige Bundesliga-Squashspielerin Tanja Kaulfuß und Tischtennis-Oberligaspieler Max Haddick bei den finalen Partien auf dem Platz. Sie alle sind Teil einer schlagenden Verbindung, deren massives Erkennungsmerkmal ein Brett mit Löchern ist.
Tina Kötter hatte schon als Kind die ersten Kontakte mit dem Brett, wenn auch mit einem kulinarisch modifizierten Zugang: „Wir sind mit richtigen Käsebrettern losgezogen“, erinnert sie sich an die ersten Ausflüge auf die Asphaltplätze in Aaseestadt oder an der Sentruper Höhe. Unübersehbares Talent am Brett führte die junge Tina Kötter schnell zu höheren Aufgaben – und auf den Tennisplatz. Im kommenden Jahr spielt sie mit und für Union Münster in der zweiten Bundesliga. Der Aufstieg dürfte der Höhepunkt im Sportjahr von Tina Kötter gewesen sein – dicht gefolgt vom Sieg in der Mixed-Konkurrenz bei den Stadtmeisterschaften im Speckbrett.
An der Seite von Namensvetter Bastian Kötter schaffte sie auf Anhieb den Sprung in die Siegerliste – zwei Jahrzehnte nach den ersten Versuchen am Käsebrett. Mit geliehenem Schläger und viel Enthusiasmus starteten die Kötters, weder verwandt noch verschwägert, ins Turnier – schlugen auf und siegten. Offensichtlich schadet es beim Speckbrett nicht, gut Tennis spielen zu können. „Das ist wohl so“, bestätigt Timo Höppner, der gleichzeitig eine der Ausnahmen ist, die diese Regel bestätigen.
Der Fußball-Torwart mit Verbandsligavergangenheit und frisch gebackener Vize-Hallenstadtmeister mit Münster 08 ist Speckbrettspieler mit Leib und Seele – und er kann auch ohne einschlägige Tennis-Vorkenntnisse in der Sonderklasse bei den Besten der Besten mithalten. Im Herbst belegte er Platz drei im Einzel und auch den dritten Platz in der Mixed-Konkurrenz – an der Seite von Tanja Kaulfuß. Einer Frau mit ausgeprägter Neigung zum Rückschlag. Auch sie stand früh auf dem Tennisplatz – wechselweise aber auch bei den Familienausflügen ins Freibad Sudmühle auf den dortigen Speckbrettplätzen. „Das war toll“, erinnert sich Tanja Kaulfuß. „Wenn wir nicht im Wasser waren, dann standen wir auf dem Platz.“
Die Münsteranerin spielt natürlich auch Badminton – am besten allerdings Squash. Mit dem SQC Münster einst sogar in der Bundesliga. Tanja Kaulfuß erreichte der Anruf von Timo Höppner etwas überraschend. „Frauen sind bei uns leider Mangelware“, musste Höppner bei der schwierigen Partnerinnenwahl tief in den Speckbrett-Annalen wühlen – und wurde dort schließlich im Jahr 1996 fündig. Bereits damals wurde Tanja Kaulfuß Stadtmeisterin. Im Damendoppel an der Seite von Jutta Zeidler – der Mutter vom amtierenden Champion Jochen Zeidler. „Ja, das ist eine richtige Familie beim Speckbrett“, fühlt sich auch Tanja Kaulfuß auf und neben den Plätzen bestens aufgehoben.
Ebenso wie Max Haddick, Nummer drei beim Tischtennis-Oberligisten Borussia Münster. Der 30-Jährige sicherte sich in diesem Jahr den Titel in der offenen Klasse und darf damit im kommenden Jahr in der Sonderklasse starten. „Mit guten Chancen“, wie Höppner voraussagt. Schließlich hat auch Max Haddick seine Wurzeln beim Tennis, war früh in der Tennisschule des Vaters in Greven am Ball – und ist jetzt Teil der Ostpark-Community, „die für die Szene ganz wichtig sind“, so Höppner. Mit Max Haddick schlägt die Stunde der Asphalt-Cowboys, der Speckbrett-Junkies, die nicht in einem der drei münsterischen Speckbrettvereine organisiert sind und damit Zugang zu den gelenkschonenden Ascheplätzen haben. Sie laufen sich auf einem der zahlreichen im Stadtgebiet verteilten Asphaltplätze die Füße heiß.
„Ein Kumpel hat mich mal mitgenommen“, berichtet Haddick von den Anfängen – inzwischen steht er mit Freunden, viele davon Tischtennisspieler, bis zu vier Mal in der Woche auf dem Asphalt. Vor Spielen mit der Borussia verordnet sich Haddick eine Zwangspause. „Am Tag vor einem Spiel gehe ich nicht auf den Platz.“ Das schwere Gerät schlägt auf den Arm, der harte Asphalt geht auf die Beine – dennoch kann Haddick von diesem Hobby nicht mehr lassen. Auch Tina Kötter will im kommenden Jahr wieder zuschlagen. „Das geht aber auch nur, weil dann die Tennis-Saison schon zu Ende ist“, setzt Kötter klare Prioritäten. „Aber die Stimmung beim Speckbrett ist ganz besonders. Das macht riesig Spaß.“ Das sieht auch Tanja Kaulfuß so: „Wenn ich Zeit habe, spiele ich wieder mit.“ Zeit ist indes nicht das Problem von Timo Höppner: „Ich bin in jedem Fall dabei“, sagt er, „für Speckbrett verschiebe ich auch meinen Urlaub.
Das Speckbrett ist die schlagende Verbindung von (v.l.) Fußball-Torwart Timo Höppner, der ehemaligen Bundesliga-Squashspielerin Tanja Kaulfuß, Zweitliga-Tennisspielerin Tina Kötter und Tischtennis-Oberligaspieler Max Haddick. Foto: Wilfried Hiegemann
Speckbrett
Ein Brett mit Löchern, ein Tennisball und etwas Platz: Sport kann so einfach sein. Seit 80 Jahren wird in Münster Speckbrett gespielt. Frei zugängliche Hartplätze an der Sentruper Höhe, im Südpark, hinter dem Ostbad, an der Polizeischule an der Bonhoefferstraße, in Roxel und in Kinderhaus erleichtern den Erstkontakt. Für Fortgeschrittene bieten gleich drei Vereine Zugang zu gelenkschonenden Ascheplätzen: die SV Münster 91, die im vereinseigenen Freibad Sudmühle schon Generationen von Spielern ans Speckbrett gebracht hat, der TuS Hiltrup, der in diesem Jahr auch die Finals der Stadtmeisterschaften auf den TuS-Plätzen ausrichten wird, und natürlich der Speckbrettverein Sentruper Höhe (SvSH), der sich einzig diesem kleinen Bruder des Tennis verschrieben hat. Insgesamt spielen derzeit rund 220 aktive Spieler und Spielerinnen in den drei Clubs – die Dunkelziffer der infizierten Asphalt-Helden ist weitaus größer...
Bericht der Westfälischen Nachrichten - Vom Freitag - 03. Januar 2014