Münster - Ralf Brandt ist Sportwissenschaftler, Lehrbeauftragter und Diplom-Trainer. Als solcher hilft er unter anderem Patienten nach Hirntumoren zurück auf die Beine - zum Teil mit durchschlagendem Erfolg.
Nein, Teil einer Jugendbewegung möchte Ralf Brandt nicht mehr sein, aus dem Alter ist der 60-Jährige raus. Dennoch ist es dem Diplom-Trainer und Sportwissenschaftler ein besonderes Anliegen, die Jugend in Bewegung zu bringen. „Mens sana in corpore sano“, war ein Standardsatz der humanistischen Bildung in der Zeit, als sich Dreikäsehoch Ralf in den 70ern auf den Bolzplätzen des Ruhrgebiets herumtrieb.
Damals war sicher nicht alles gut, schon gar nicht besser als heute, aber die Sache mit dem gesunden Geist im gesunden Körper anerkanntes Allgemeingut. Auch auf dem Bolzplatz: „Da gab es klare Regeln. Wer zu spät kam, musste bis zum nächsten Spiel warten, die Kleinen durften auf den Platz, wenn die Großen Pause machten.“ Aber: Alle waren körperlich in Bewegung, bis es dunkel wurde. Das ist heute anders, stellt Brandt immer wieder fest – und die Folgen sind unter anderem dort spürbar, wo er sich am besten auskennt, beim Squash.
"Viele Kinder gehen nicht mehr an ihre Grenzen"
„Viele Kinder und Jugendliche haben nicht mehr die Bereitschaft, an ihre Grenzen zu gehen“, so Brandt. Das spürt der Münsteraner auch auf seinem Stückchen Heimaterde, auf den sechs mal neun Metern, auf denen Squash gespielt, gekämpft und geschwitzt wird. „Ein großartiger Sport. Aber da kommt leider nicht viel nach.“
Vor dem Diplom an der Trainerakademie, der Berufsakademie des DOSB in Köln, hatte Brandt alle Trainerscheine bis zur A-Lizenz im Squash abgelegt, an der Akademie traf der Rückschlagspezialist dann auf Fachleute aus dem gesamten Sportspektrum, von Boxtrainern bis zu Tanzausbildern. „Und das war beeindruckend, wieviel da jeder von den anderen Disziplinen mitnehmen konnte“, so Brandt, der zehn Jahre lang als Bundeslehrwart für den Deutschen Squashverband tätig war.
Inzwischen hat der Sportwissenschaftler sein Tätigkeitsfeld weit über die gut 50 Quadratmeter auf dem Squashcourt hinaus erweitert. Brandt ist als Honorartrainer beim Fördervereins ZNS (Zentrales Nervensystem) an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Münster aktiv – und besonders hier steht der Sport als integraler Bestandteil zur Steigerung der Lebensqualität von Patienten nach Hirntumoroperation.
Sport nach Hirntumoroperationen
Sport bildet mit den Themen Gespräch und Kunst einen der drei Bereiche der Psych-Onkologie am Hirntumorzentrum des UKM. „Ich bin da nicht Therapeut, sondern Trainer“, stellt Brandt klar. Individuelle Trainingspläne, persönliche Betreuung – „ich arbeite da ganz eng mit den Patienten zusammen.“ Meist auf dem Ergometer oder auf dem Fahrrad, viel wird gelaufen, ab und an geschwommen, eher in seltenen Fällen Ball gespielt. „Der Ballsport ist durchaus schwierig vor allem wegen der Erschütterungen und den schnellen Drehbewegungen im Kopfbereich.“
Ralf Brandt ist Sportwissenschaftler, Lehrbeauftragter und Diplom-Trainer - Foto: Deiters-Keul
Im Rahmen der Sportstudie „Mobil mit Hirntumor“ (MMH), die das UKM federführend gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Saarbrücken durchführt, steht das gesamte Feld noch am Anfang einer voraussichtlich langen und ergiebigen Entwicklung. Am Institut für Sportwissenschaft ist Brandt Lehrbeauftragter zum Thema und gibt bei Skifahrten auch praktische Hinweise für Medizin- und Sportstudenten. „Es geht darum, den Studenten die Angst vor den Begriffen „Onkologie“ und „Tumor“ zu nehmen“, so Brandt, „Tumor heißt nicht Tod – es geht darum, trotz allem eine Perspektive zu entwickeln.“
Drei Brandt-Schützlinge brachten es weit
Auf dem Squashcourt feierte Brandt große Erfolge unter anderem mit Simone Korell vom Squashboard Münster. Auch sie war am Mammakarzinom erkrankt – und dann Senioren-Weltmeisterin geworden. „Mit ihr arbeite ich jetzt seit 35 Jahren zusammen, sie ist einer meiner Top-Schützlinge“, sagt Brandt.
Ein anderer ist zweifellos Oliver Pettke, den Brandt als 16-Jährigen fit für die Nationalmannschaft machte. Pettke wurde mit Trainer Brandt Deutscher Meister und kletterte auf Rang 63 der Weltrangliste. „Und viele Jahre später war er bei mir im Kurs an der Trainerakademie in Köln.“ Mit Erfolg – Pettke ist aktuell Bundestrainer der deutschen Squasher.
Ähnlich wie Pettke erging es auch André Haschker. Unter Brandt reifte er zum Nationalspieler und kletterte auf Ranglistenposition zwei der deutschen Squasher. Alles made in Münster. Hier bleibt Ralf Brandt weiter in Bewegung, mit wichtigen Aufgaben beim Förderverein ZNS und natürlich auf den Courts an der Borkstraße, wo er gerne auch den Nachwuchs in seinem Heimatverein Squashboard 81 trainiert – und damit irgendwie doch Teil einer Jugendbewegung ist.
Auf dem Squashcourt hat Ralf Brandt große Erfolg mit Patienten gefeiert, die zuvor wegen eines Gehirntumors operiert worden waren. (Symbolbild)
Bericht der Westfälischen Nachrichten - Von Ansgar Griebel