Münster - Vielleicht hätte sich alles anders entwickelt, wenn ihr Vater sie vor 18 Jahren nicht beeinflusst hätte.
Damals spielte Tanja Scheer, gerade elf, erstmals Squash und fand Gefallen daran, der Vater indes riet ihr zum Tennissport. Vor zwei Jahren hat die Münsteranerin ihre Liebe zum Squash endgültig entdeckt, am Wochenende wurde sie Dritte der Deutschen Meisterschaften und schockte alle. Bronze bei den nationalen Titelkämpfen – Tanja Scheer sprang von null auf drei.
Die Etablierten waren verblüfft, sie selbst nimmt die Irritationen gelassen hin und sieht sich noch lange nicht am Ziel. »Ich will besser werden und weiterkommen. Mein extremer Ehrgeiz stachelt mich an«, sagte die 29-Jährige vom Oberligisten Squashboard Münster am Montag.
Bei den »Deutschen« in Mülheim genoss sie den speziellen Augenblick und die Party, die Glückwünsche nahm sie mit Freude und Genugtuung an. Die Außenseiterin hatte die Hackordnung in Unordnung gebracht.
In den ersten Runden wurden ihre Begegnungen im hintersten Court der Anlage angesetzt. Tanja Scheer war eine Namenlose, ab dem Viertelfinale änderte sich das schlagartig. Ihre Halbfinal-Begegnung im Glascourt vor einer respektablen Kulisse gegen die Serienmeisterin Sabine Schöne (Herford) sei trotz der klaren Niederlage ein großes Erlebnis gewesen. Die Nummer eins spiele in einer anderen Liga. »Das muss man akzeptieren. Gegen die anderen habe ich zumindest eine Chance.« Am Montag stand sie schon wieder auf dem Court, weil sie sich einen Tag ohne Squash gar nicht vorstellen kann.
Seit Kinderzeiten hat sie Tennis gespielt, durchaus respektabel und mit ordentlichem Erfolg. Aber über gehobenes Mittelmaß sei sie nie hinausgekommen. Jetzt gewann sie die Bronzemedaille in einer noch fast fremden Sportart und rätselt selbst.
Vor drei Jahren schaute sie mal zu und war gleich begeistert. Ihre ersten Versuche musste sie allerdings verschieben, weil Tochter Lina zur Welt kam. Dann ging alles derartig schnell und rasant, dass alle staunten, wieso jemand so schnell so gut werden kann. »Technisch habe ich noch immer deutliche Nachteile, viele wundern sich über meine Stilistik und meckern. Aber so schlecht kann das alles ja wohl nicht sein.«
Bezüglich Kondition oder Schnelligkeit sind nur wenige besser als sie. Manchmal trainiert die große Kämpferin mit ihren Mannschaftskolleginnen, lieber aber mit der männlichen Konkurrenz, weil sie es gern schnell mag. Noch spielt sie an der Borkstraße in der Oberliga, zur nächsten Saison wechselt sie zum SQCM an der Steinfurter Straße, der momentan um den Klassenerhalt in der Bundesliga kämpft. »Der Wechsel fällt nicht leicht, ist aber sportlich sinnvoll. Ich möchte auf der Rangliste nach oben.« Dort tauchte sie bisher gar nicht auf, Platz zehn hält sie für machbar, Rang 15 sei realistisch.
Ab dem Sommer wird ihr Leben etwas stressiger. dann tritt die Sozialpädagogin eine Arbeitsstelle an. Aber für Squash bleibe noch genügend Zeit, für Tochter Lina ohnehin.
Aufsteigerin des Jahres: Tanja Scheer, Dritte der Deutschen Meisterschaft, freut sich mit Tochter Lina über den Erfolg.
